Das Mischpult des Managements Folgen von Strukturveränderungen beleuchten und steuern

Das Mischpult des Managements

Folgen von Strukturveränderungen beleuchten und steuern

Dr. Judith Muster ist Organisationssoziologin an der Universität Potsdam und arbeitet seit 2011 bei der Beratungsgesellschaft Metaplan, heute als Partnerin. Sie forscht und berät zu Re-Organisationen, agiler Transformation, Innovation und Strategie – schwerpunktmäßig in Konzernen. Kontakt: judithmuster(at)metaplan.com

Jens Kapitzky ist Kommunikationswissenschaftler und arbeitet seit 2015 als Senior Consultant bei Metaplan, wo er heute die Metaplan Leadership & Organization Academy leitet, die offene und Inhouse-Programme für Führungskräfte aller Ebenen erarbeitet und durchführt. Kontakt: jenskapitzky(at)metaplan.com

Wer in Organisationen etwas verändern möchte, der muss sich mit ihrer Komplexität auseinandersetzen. Dabei hilft es, sich die Struktur der Organisation als ein Mischpult vorzustellen. Natürlich wissen wir: Organisationen sind keine Maschinen. Insofern handelt es sich um ein Bild von begrenzter Reichweite. Aber es ist sehr brauchbar, wenn man sich der eigenen Möglichkeiten in den Strukturen der Organisation gewahr werden möchte. Unser Mischpult hat zunächst drei Struktur-Regler: je einen für Kommunikationswege, Programme und Personal.

Mehr Struktur heißt: Weniger offene Entscheidungen

Der Regler Kommunikationswege stellt für eine Organisation ein, wer wem Aufgaben geben darf und wie über Entscheidungen entschieden wird. Je weiter ein Regler aufgezogen ist, desto genauer ist begrenzt, wer mit und für wen arbeitet.

Der Programme-Regler bündelt die Kriterien, nach denen entschieden werden muss. Je höher dieser Regler eingestellt wird, umso mehr Bedingungen gibt es bei Entscheidungen zu beachten. Die Extrempunkte markieren traditionelle Ämter und Start-Ups: Während die Entscheidungen in einem Amt typischerweise sehr stark geregelt sind, zählt in Startups vor allem das Ergebnis. Der Weg zum Ziel aber ist offen.

Der Personal-Regler bestimmt, wie differenziert vorgegeben ist, welche Personen in der Organisation welche Stellen besetzen können. Am Maximum steht dieser Regler zum Bei- spiel bei manchen Familienunternehmen: Wer dort Karriere machen will, hat als Kind des aktuellen Chefs die besten Chancen. Erst in Abstufungen zählen dann Qualifikationen, die Zeiten im Unternehmen oder Erfahrungen im entsprechenden Bereich.

Was passiert, wenn man die Regler bewegt?

Will man das Mischpult nutzbringend einsetzen, helfen einige Fragen. Am Anfang steht die Überprüfung: Wie sind die Regler in meiner Organisation eingestellt? Ist ganz klar, wer mit wem zusammenarbeiten soll oder variiert dies stark? Gibt es ein Richtig-oder-Falsch-Schemata für Aufgabenerfüllungen oder woran sonst orientieren wir uns?

Nach der Bestandsaufnahme kommt die für Veränderungs- vorhaben zentrale Frage: Welche Regler lassen sich überhaupt bewegen – und von wem? Kann man zum Beispiel die Bedingungen der Programme lockern und neue Wege zulassen, wie Aufgaben gelöst werden? Oder wurde gerade erst eine neue Strategie ausgerollt, die einer neuen Änderung im Wege steht?

Eine weitere, zentrale Frage ist: Was passiert, wenn man die Regler bewegt? Anders gefragt: Wie wird die Organisation reagieren? Wer wird das begrüßen und unterstützen? Mit welchem Widerstand muss man rechnen und wie kann man ihm begegnen? Wer das vordenkt, hat später weit bessere Chancen rasch und wirksam zu reagieren!

Führung: Der Endverstärker des Organisationssignals

Neben den Strukturreglern verfügen Organisationen über einen weiteren, besonderen Regler am Mischpult: Dieser bildet ab, wie intensiv in der Organisation geführt wird. Wir verstehen Führung dabei gerade nicht als Synonym für Hierarchie, sondern als das Durchsetzen bei offenen Entscheidungen, die Auflösung von Widersprüchen und die Wahrung von Erwartungssicherheit. Das heißt: Es können alle und nicht nur Vorgesetzte in Führung gehen – solange ihr Handlungsangebot überzeugt und Gefolgschaft generiert.

Man kann sich Führung also wie einen Endverstärker vor- stellen, der alle aus dem Mischpult ausgehenden Signale aufs gleiche Level bringt. Wie viel Führung es braucht ergibt sich dabei aus der Stellung der Strukturregler. Sind sie höher eingestellt, wird Führung weniger notwendig und wirksam. Umgekehrt gilt: Ist das Strukturlevel niedrig, muss umso stärker über Führung im Einzelfall entschieden werden, was zu tun ist.

Warum das Mischpult des Managements?

Das Tool hilft, die Folgen von Strukturveränderungen zu beleuchten und vorzudenken. Wer etwa Hierarchien und Abteilungen abbaut, aber weder im Programm noch in der Qualifizierung des Personals nachzieht, erhöht unweigerlich den Führungsaufwand – und dies kann mit dem Misch- pult schon im Vorhinein deutlich werden.

Gutes Organisieren heißt also auch, sich und andere zu fragen: In welchen Bereichen der Organisation brauchen wir Offenheit für Entscheidungen im Einzelfall, die dann durch Führung getroffen werden? Und welche Bereiche brauchen dagegen eine fest verfügte Struktur, um den Führungsaufwand zu reduzieren? Das Mischpult lädt zum Nachdenken darüber ein, was die Organisation braucht, um am Ende als Ganzes optimal zu klingen!