Trend Canvas Ganzheitlich denken in Systemen und Zusammenhängen

Trend Canvas

Ganzheitlich denken in Systemen und Zusammenhängen

Raphael Shklarek ist Zukunftsforscher und Berater beim Zukunftsinstitut in seiner Heimatstadt Wien. Er studierte Psychologie sowie Politikwissenschaften mit Fokus auf Wahrnehmung, Konflikt, Ideologie und Identität. Das Beratungsteam arbeitet mit Organisationen an ganzheitlichem Wirtschaften in Einklang mit Natur und Gesellschaft. Kontakt: r.shklarek(at)zukunftsinstitut.at

Die Zukunft lässt sich nicht voraussagen. Eine Krise ist der Moment, an dem man am stärksten spürt wie wahr dieser Satz ist. Jede Vorbereitung ist selbstverständlich wertvoll. Jedoch wird eine Krise dann ausgerufen, wenn das System fundamental herausgefordert wird und das bisherige Han- deln nicht mehr ausreicht. Gibt es dann Tools, die durch Krisen helfen?

Warum den Blick auf Trends richten?

Das Trend Canvas (www.trenedcanvas.de) wurde am Zukunftsinstitut entwickelt für die ganzheitliche Einschätzung von Trends und Situationen. Solche Strömungen, die den Wandel der Gesellschaft, Wirtschaft und ihren Zeitgeist beschreiben, helfen uns heraus zu zoomen und zu sehen, was alles gleichzeitig passiert. Sie helfen uns, den täglichen Schwall an Nachrichtenzyklen von dynamischen Entwicklungen und Zusammenhängen zu unterscheiden. Viele haben schon erkannt, dass Wahrnehmung der Schlüssel zu Transformation ist, jedoch ist Wahrnehmung vielfältig und während Krisen oft belastet von berechtigten Ängsten und Sorgen. Zusätzlich bedeutet nicht jeder Trend, geschweige denn Megatrend, für alle das Gleiche. In der Komplexität dieses Modells finden sich viele Potenziale, die selbst mit sei- ner Struktur und Kodierung erst erarbeitet werden müssen.

Wie ist es aufgebaut?

Die „form of the firm“ bildet die formtheoretische Formel eines Unternehmens ab: jedes Unternehmen ist sein Produkt. Dabei kann es sich sowohl um ein physisches Produkt als auch um eine Software oder Dienstleistung handeln, also alles was Umsatz erzielt. Weiterhin benötigt jedes Produkt Verfahren, die als Arbeitsprozess und Vertrieb beobachtbar werden. Sie müssen in sozialen Systemen organisiert werden und befinden sich immer im Kontext von Märkten. Diese sind wiederum Teil eines wirtschaftlichen Systems, also das wertschöpfende Subsystem der Gesellschaft. Letztere gibt es nur, weil es Menschen mit all ihren Grundbedürfnissen gibt. Sie leben in der Natur aufgrund aller Elemente, Kräfte und Prozesse, die biologisches Leben gewährleisten. Diese acht „Spaces“ bilden eine Grundlage zum Verständnis von Wechselbeziehungen in Organisationen und deren Kontexten beziehungsweise Systemen.

Wie kann man es verwenden?

Das Trend-Canvas ist so aufgebaut, dass Menschen es für sich selbst anwenden können, für ihre Abteilung oder ihr gesamtes Unternehmen. Es ist dafür gemacht, schnell, ohne Komplikationen und fortlaufend angewandt zu werden. Das System muss klar definiert werden, um zu wissen welches soziale Gefüge beleuchtet werden soll. Anschließend werden pro Canvas ein Trend oder eine Situation gewählt. Nun wird eingeschätzt, was dies für jeden dieser Spaces bedeutet und welche Action Points sich davon ableiten lassen.

Am 10. März 2020, drei Tage vor dem verkündeten Lockdown in Österreich, traf sich das Team des Zukunftsinstituts in Wien und versuchte die kommende Situation ganzheitlich zu betrachten. Wir wussten weder was passieren würde, noch was wir tun können. Aber wir wussten: Wir benötigen einen strukturierten Prozess, der die Gesamtsituation in Bezuug auf alle Systemebenen untersucht. So exerzierten wir die Situation für das gesamte Zukunftsinstitut-Netzwerk auf dem Trend-Canvas durch. Dieser Prozess und die daraus abgeleiteten Hebelpunkte und Action Points gaben uns in wenigen Stunden konstruktive Perspektiven auf eine kom- plexe neue Situation, unter anderem die Anwendung des Trend-Canvas als COVID-19 Impact Analyse anzubieten.

„Wer den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr versteht, der muss zum Förster des neuen Denkens werden“ (Wolf Lotter)

Wir nutzten unseren Trend Research und unsere eigenen Werkzeuge, um eine Szenarien-Analyse zu produzieren und einzuschätzen, welche Megatrends entsprechend robust, treibend oder ambivalent sein würden. Der Virus wurde also in den Space Natur gesetzt und die produzierten Inhalte in den Spaces Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft befüllt. In dieser Konfiguration stellte das Trend-Canvas das hauptsächliche Produkt dar, mit dem wir in der Anfangszeit der Krise Organisationen berieten.

Warum das Trend-Canvas?

Die schönsten Reaktionen der Anfangszeit waren unter an- derem: „Das Canvas hat mir enorm geholfen, meine Gedan- ken zu sortieren“ und: „Es hat mir erlaubt, klar strukturiert zu sehen, worum es jetzt gehen könnte und mich darauf zu fokussieren, was ich beeinflussen kann.“ Denn darum geht es in Krisen, wenn schmerzhaft klar wird, dass man die Zukunft nicht voraussehen kann: ganzheitliches, strukturiertes Denken in Systemen und Zusammenhängen. Mit aller Ruhe Möglichkeitsräume zu erschließen ist in so einer Situ- ation besonders schwer, jedoch können Denkmodelle wie das Trend Canvas helfen, Einschätzungen zu machen und Weichen zu stellen. In Krisen geht es oft nicht um sofortige Lösungen, sondern darum, handlungsfähig zu bleiben.